Einheimische männliche Verlierer
von thalasso wave, Erstveröffentlichung 2017

Ich bin Verleger. Genaugenommen beschränkt sich meine verlegerische Tätigkeit darauf, meine eigenen Werke mit mehr oder weniger geringem Erfolg zu veröffentlichen. Mit anderen Worten, meinen Verlag kennt keine Sau. Deshalb bin ich immer wieder erstaunt, wenn andere Autoren sich an mich wenden, um ihre literarischen Ergüsse unters Volk zu bringen. Was vermuten lässt, dass sie sich bei weit bedeutenderen Verlagen bereits eine Abfuhr geholt haben.

Das muss noch nichts heißen. Es gibt mehr Manuskripte als Neuveröffentlichungen, es gibt mehr Neuveröffentlichungen als gute Bücher und es gibt mehr gute Bücher als Bestseller. Da sich große Verlage eher darauf beschränken, Werke zu verlegen, die im Trend liegen und sich deshalb gut verkaufen lassen, sagt eine Ablehnung rein gar nichts über die literarische Qualität eines Manuskriptes aus. Heute erfolgreiche Schriftsteller hatten fast durchweg Schwierigkeiten für ihre Erstlingswerke einen Verlag zu finden. Wenn sich allerdings etablierte Autoren an mich wenden, müssten eigentlich die Alarmglocken klingen. Taten sie auch.

Ein Autor mit Referenzen anderer Verlage bot mir unter der Überschrift "brisantes Thema - literarischer Durchbruch" einen Text über "einheimische männliche Verlierer, die gegenüber Frauen, sexuell verirrte Minderheiten und aus aller Welt einströmenden Massen zu wenig Beachtung finden" an. Holla, da haben wir aber recht tief in die Schmuddelkiste des populistischen, rechten Gedankenguts gegriffen. Und die grün-links versiffte Lügenpresse wird auch gleich gescholten, da die armen, unzufriedenen Männer "weder Gesicht, Stimme noch Aufmerksamkeit in Medien und Buchmarkt" bekommen.

Nur eines ist korrekt: es ist ein brisantes Thema. Die offensichtliche Verwitterung der Jahrhunderte alten männlichen Dominanz hat jetzt alle Gesellschaftsschichten erreicht. Schuld daran sollen aber nicht die Männer selbst sein, sondern Frauen, namentlich Feministinnen, Schwule, Linke, Migranten und irgendwie alle anderen, die völlig rücksichtslos gleiche Rechte für alle fordern.

Nun hat sich aber nicht urplötzlich das gesamte Universum gegen die armen Männer verschworen, vielmehr haben es einige Männer nicht verstanden, dass der Rest der Welt sich einfach nicht mehr unterdrücken lassen möchte. Gemeinerweise beharrt die Mehrheit des Planeten darauf, dass die Menschenrechte für alle gelten sollen, ungeachtet des Geschlechts, der Herkunft, der Religion, der Hautfarbe und der sexuellen Orientierung. Steht auch so im Grundgesetz und einigen anderen bedeutenden Werken, für die unsere Vorfahren lange gekämpft haben.

Das heißt nicht, dass Männer benachteiligt werden, sondern dass sie lediglich auf Gewalt, Missbrauch und Unterdrückung verzichten sollen. Vorrechte, die ihnen sowieso nie zustanden, die sie in der Vergangenheit aber oft für sich vereinnahmt haben. Dass das jetzt nicht mehr so ist, macht Männer nicht automatisch zu Verlierern. Sie müssen sich einfach nur mehr Mühe geben, wenn sie Gewinner sein wollen.

Es ist einzusehen, dass dies für manche Männer eine Umstellung bedeutet. Das starke Geschlecht muss sich daran gewöhnen, dass Frauen nicht länger Opfer sind, sondern eine unerwartet starke Konkurrenz darstellen können. Das führt zu durchaus ungewöhnlichen Aktionen. So demonstrieren unzufriedene, weiße Männer, die Frauen am liebsten am Kochtopf sähen, plötzlich für deren Rechte. Bösartige Ausländer machen angeblich dem deutschen Manne angestammte Vorrechte streitig: Arbeit, Gewalt, Missbrauch.

Das macht die einheimischen Männer möglicherweise nicht gerade zufrieden, drängt sie aber keineswegs in eine Opferrolle. Die "einheimischen männlichen Verlierer" haben sich bestenfalls selbst zu Verlierern gemacht, weil sie an der "guten, alten Zeit" festhalten wollen, die aber nur für sie selbst gut war (und oft auch das nicht).

Daher erscheint mir ein Buch über "männliche Verlierer" recht sinnlos, denn der Inhalt bräuchte nicht wesentlich länger zu sein als dieser Text. Mit den in sozialen Netzwerken beliebten Aufzählungen vermeintlich gemeiner Taten von hinterhältigen Frauen, notorischen Homosexuellen, bösartigen Migranten und gefährlichen Andersdenkenden könnte man sicher ein populistisches Buch füllen. Aus dem literarischen Durchbruch dieses Autors wird wohl trotzdem nichts werden. Ich halte eine solche Schrift aus rein verlegerischer Sicht für unverkäuflich, auch wenn die politische Stimmung im Lande gerade deutlich in Richtung Rechtspopulismus und gefälschten Wahrheiten schwappt.

Denn das Hauptproblem ist die intendierte Zielgruppe. Die "einheimischen männlichen Verlierer" sind offensichtlich in diese Situation geraten, weil sie gar keine Bücher lesen.

© 2017 www.simon-verlag.de

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