von thalasso wave, Erstveröffentlichung 2012
Unter der Last der Finanzkrise erzittert ganz Europa und die danach benannte Währung. Wer daran Schuld ist, wurde lange schon geklärt: die Anderen. Obwohl alle schon bis zum Hals in einem gigantischen Schuldenberg stecken, der sie zu ersticken droht, bekommen dennoch viele die Hand aus dem Morast gehoben, um mit einem längst verpfändeten Finger auf die wahren Schuldigen zu zeigen. Jene, die zu wenig leisten, zu wenig sparen und zu viel ausgeben. Also alle.
Ganze Landstriche werden kollektiv in Sippenhaft genommen, nur auf die wahren Schuldigen will so Recht keiner schimpfen. Auf die Banken vielleicht nur ein wenig, obwohl sie ohne Rücksicht auf Verluste genau diese in gewaltigen Höhen angehäuft haben. Auch nicht auf die Politiker, die verabsäumt haben, die Finanzwelt im gebotenen Maße zu kontrollieren und nicht zuletzt die gierigen Anleger, die mit Aussicht auf irrationale Gewinne den ganzen Unsinn finanziert und am Ende viel verloren haben. Recht geschieht ihnen.
Irgendwann in der grauen Vorzeit der Finanzmärkte hatte man damit begonnen, Risikokapital nicht mehr mit vorhandenem Geld, sondern mit geliehenen, virtuellen oder nicht existierenden Werten abzusichern. Die Blase platzte, als gierige Fonds und Anlageberater nicht mehr mit Werten handelten, sondern mit der Blase selbst. Immer absurdere Finanzprodukte wurden immer unwissenderen Kunden zur Kapitalvernichtung vorgeworfen. Nur wenige forderten zögerlich eine Finanztransaktionssteuer, um derlei Armageddon-Anleihen einzudämmen. Niemand kam auf die Idee, von der Finanzbranche zu verlangen, ihre Produkte zu versichern. Da hätte sich sehr schnell die Spreu vom Weizen getrennt.
In Spanien war es immer schon beliebter Haus und Wohnung zu kaufen als zu mieten. Als auf diesem Gebiet die Marktsättigung erreicht war, wurde trotzdem fleißig weiter gebaut und Immobilien an Menschen verkauft, die es sich nur hätten leisten können, wenn ein gewaltiges, nie dagewesenes Wirtschaftswachstum alle mit Reichtum überschüttet hätte. Diese Prognose erfüllte sich seltsamerweise nicht. Heute steht Spanien vor eine Blase von neugebauten, leerstehenden Immobilien im Wert von etwa 300 Milliarden Euro (300.000.000.000 ?). Und die Banken stehen vor der Pleite und müssen von Staat und EU gerettet werden.
Natürlich weiß jeder Nicht-Spanier, wie das Problem zu lösen ist und bietet seine Ratschläge auch gerne ungefragt und selbstlos an: Sparen, Steuern erhöhen, die Wirtschaft in die Knie zwingen, Bildungsausgaben einschränken, sozialen Unfrieden stiften, Armut herbeiführen, Unruhen erzeugen, aber trotzdem Sparen. Das ist der Weg aus der Krise. Oder in die Krise. Doch es gibt sanftere Wege, den Spaniern aus dieser schwierigen Lage zu helfen:
1. Plastiktüten sparen
Es ist in Spanien völlig unmöglich einkaufen zu gehen und ohne eine Unzahl von Plastikbeuteln zurückzukommen. Jedes Stück Obst oder Gemüse wird einzeln in Plastiktüten verpackt, eingeschweißt oder auf andere Weise wenig umweltfreundlich verpackt. Würden diese Plastikbeutel eingespart oder durch nachhaltigere Verpackungen ersetzt, könnte man - grob geschätzt - statt dessen etwa 17.000 Campingstühle oder 7,9 Millionen Kreditkarten aus dem Material herstellen. Jeden Tag.
2. Zucker in Treibstoff umwandeln
Würde man aus jedem spanischen Joghurt die Hälfte des zugesetzten Zuckers einsparen und daraus Alkohol herstellen, so ließen sich damit etwa 10 Prozent des verbrauchten Benzins ersetzen. Und der Joghurt wäre immer noch unerträglich süß.
3. Immobilien statt Geldgewinne
Der Spanier an sich kauft gerne Lose. Das ist durchaus verständlich, weil bei den entsprechenden Lotterien unglaubliche Summen zu gewinnen sind. Schätzungen zu Folge sind etwa 4 Prozent der spanischen Bevölkerung ausschließlich mit dem Verkauf von Losen beschäftigt. Die dadurch gebundene Arbeitskraft könnte sinnvoll eingesetzt werden, wenn statt Millionenbeträgen in Bar derzeit unverkäufliche Immobilien ausgeschüttet würden. So ließe sich die spanische Immobilenblase langfristig auf ein erträgliches Maß schrumpfen und fleißige Loskäufer würden mit dem geliebten Immobilieneigentum entlohnt.
4. Mieten statt kaufen
Auch wenn der Erwerb von Wohnungen sehr beliebt ist, sollte sich der Spanier durchaus mit dem Gedanken anfreunden, auch einmal zu mieten. Dadurch ließe sich unverkäuflicher Wohnraum sinnvoll nutzen und die Banken hätten zumindest Einnahmen statt Bauruinen, für deren Erwerb im Augenblick niemand Geld hat und auch keine Kredite vergeben werden können.
5. Alternativen zur Räumung
Käufer von Wohnungen, die die Hypotheken nicht mehr bedienen können, werden von den spanischen Bank gnadenlos rausgeklagt und zwangsgeräumt. Das ist grottendämlich, da der frei werdende Wohnraum wegen des hohen Leerstands nicht verkäuflich ist. Der ehemalige Bewohner wird obdachlos, die Banken bleiben auf der Immobilie sitzen, die weitere Kosten verursacht statt Einnahmen zu bringen. Unter Umständen wäre es billiger, den verarmten Bewohner in seiner Wohnung zu belassen und darauf zu warten, dass er wieder zu Geld kommt. Dann müssten die Banken allerdings hohe Abschreibungen vornehmen und zugeben, dass sie allein das Problem durch ungesicherte Kredite verursacht haben. Dann lieber pleite gehen.
6. Hotels abreißen
Die Baubranche in Spanien liegt am Boden. Durch das Überangebot an nicht finanzierbarem Wohnraum will kaum jemand etwas bauen lassen. Auch hier liegt die Lösung in radikalem Umdenken. Statt mit weiteren Bauruinen die Landschaft zu verschandeln, könnte die Baubranche mancher Orts mit dem Abriss der furchtbarsten Bettenburgen beginnen und an deren Stelle kleine, schicke und umweltfreundliche Hotels errichten.
7. Den Billig-Tourismus herunterfahren
Viele Touristen, die heutzutage nach Spanien kommen, haben zu wenig Geld in der Tasche. Weil man jahrzehntelang auf Masse statt Klasse gesetzt hat, sinken die Einnahmen pro Gast beständig. Ein höheres Niveau im Tourismus würde mehr Geld in die Kassen spülen und die Ressourcen des Landes und der Umwelt schonen.
8. Alternative Energien nutzen
In Spanien scheint die Sonne öfter als in vielen anderen Staaten der EU. Dennoch ist die Deckung mit Solaranlagen in Spanien unterdurchschnittlich. Für Wind und Windräder gilt ähnliches. Ein Investitionsprogramm für Alternative Energien klingt sehr vielversprechend.
9. Biologischer Landbau
Obwohl Spanien zu den größten Produzenten ökologischer Lebensmittel gehört, ist die Akzeptanz für eine gesunde Ernährung gering. Man müsste die Spanier dazu kriegen, gesunde und umweltfreundliche Lebensmittel nicht nur anzubauen, sondern auch selbst zu essen.
10. Reinigungsmittel zu Chemiewaffen
Schwerter zu Pflugscharen war gestern. In jedem spanischen Haushalt befinden sich durchschnittlich über 100 Spraydosen mit Reinigungsmitteln, Möbelpolituren, Lufterfrischern, Sanitärreinigern, Schnittblumenfrischhaltern, Teppichschaum, Chlorreinigern und ähnlichen Chemikalien, denen allen gemein ist, dass sie wenigstens voller Treibgase, klimaschädlich, ätzend, giftig, hautirritierend, gewässerschädlich, dioxinverseucht oder sonst irgendwie gefährlich sind. Würde man diese Chemiekeulen einsammeln und alle zusammen schütten, entstünde ein Giftcocktail, mit dem sich problemlos Nord- und Südamerika komplett entlauben ließe. Böte man diese preiswerten Chemiewaffen allen für demokratische Verhältnisse kämpfenden Rebellen für teuer Geld zum Kauf an, würden alle Diktatoren dieser Welt sofort ihre Niederlage eingestehen und umgehend das Land verlassen. Den Spaniern müsste man als Ersatz für die entsorgten Reinigungsmittel Mikrofasertücher schenken. Diese könnte man aus den anfangs eingesparten Plastiktüten herstellen. Die obsoleten Diktatoren könnte man auf Kosten der Vereinten Nationen in unterbelegten Hotels an den spanischen Küsten unterbringen. Von den üblichen Touristen würden sich die Diktatoren in ihrer Maßlosigkeit kaum unterscheiden. Für den Rest der Welt wäre es aber allemal preiswerter!
Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen und auf andere Krisenländer übertragen. Sinnvoll wäre ein schonender Bürokratieabbau, ohne die durch die staatliche Alimentation gebildeten sozialen Strukturen zu zerstören. Ebenso die Bekämpfung der Korruption, Rechtssicherheit, kostenfreie Bildungsangebote, ausreichende Kinderbetreuungsplätze und nicht zu letzt mehr Produktivität zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Und da wären noch Regierungen, die die Namen verdienen, anstatt wenig unterhaltsame Kasperletheater aufzuführen. Aber da endet schon die Vision und wird zur realitätsfernen Utopie, denn in diesem Punkt kann Deutschland nicht einmal mit gutem Beispiel vorangehen.
© 2012 www.simon-verlag.de
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