Urlaub
von thalasso wave, Erstveröffentlichung 2014

Urlaub ist wie die Liebe - man tut sich selbst Dinge an, die man bei klarem Verstand kaum ertragen könnte. Sonst wäre kaum zu erklären, warum Jahr für Jahr Millionen Menschen die Ruhe und Sicherheit ihrer Existenz auf Spiel setzen und für viel Geld in Kauf nehmen, was sie zuhause nicht einmal für umsonst haben wollten.

Das beginnt mit den Widrigkeiten der Anreise. Mündige Bürger, die sich daheim jegliche Zudringlichkeit verbeten und ihr Scholle mit ihrem Leben verteidigen würden, lassen sich zur Urlaubszeit bereitwillig zusammen mit Scharen wildfremder Menschen in jedes nur erdenkliche Verkehrsmittel quetschen, nur um irgendwie vom geliebten Zuhause wegzukommen.

Da drängt man sich in generell überfüllte Flugzeuge, Fähren, Züge, Busse oder eigene Autos und steht stundenlang Schlange oder im Stau, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt. Ginge es um die Erholung oder nur darum, einfach mal was anderes zu sehen, würde es ja genügen, zu Fuß in ein nahes Hotel zu gehen, sich dort einzumieten und verwöhnen zu lassen.

Aber das ist wohl nicht das Gleiche. Urlaub ist vor allem weit weg. Die Stätte der alljährlichen Erholung muss wenigstens so weit entfernt liegen, dass man sie nicht ohne Leiden beim Transport erreichen kann. Sonst hätte es sich ja nicht gelohnt. So fährt man mit der Bahn kurz vorm Kreislaufkollaps, weil die Klimaanlage mal wieder nicht funktioniert oder erreicht das Reiseziel mit einer Lungenentzündung, weil sie funktioniert. Oder man lernt auf der Autobahn nette Leute kennen und verbringt viel Zeit mit ihnen. Schließlich die Schockstarre mit anschließender Schnappatmung, wenn man sieht, dass genau die Nachbarn, mit denen man nur noch per Anwalt kommuniziert, sich am Flughafen am selben Check-in anstellen und außerdem deren Kofferanhänger als Reiseziel das selbe Hotel ausweisen.

Ist man mangels ausreichender Vorratslage auch noch gezwungen, sich während des Transports Nahrung zu beschaffen, wird es ganz übel. Auch wörtlich. Dass angebotene Speisen und Getränke teuer sind, ist klar. Aber warum müssen sie auch schlecht sein? Billig und schlecht kennt man schon von zuhause. Hier wird noch einer draufgesetzt. Da bietet auch die Religion wenig Trost. So darf der Reisende während des Fastenmonats Ramadan durchaus essen. Beim üppigen Angebot in Bahnhöfen, Zügen, Autobahnraststätten, Flughäfen und Flugzeugen kann man gut verstehen, dass manche die Lehre eher streng auslegen und dennoch fasten.

Hat man endlich unter großen Mühen und Entbehrungen das Zielgebiet erreicht und will jezt seinen wohlverdienten Traumurlaub beginnen, holt einen das Mantra des Transports wieder ein: teuer und schlecht. Der Tourist hat keine Wahl. Insbesondere beim Essen gilt: Friss oder Stirb! Oder Beides.

Als wäre das alles nicht schon absurd genug, wird bei Dingen Verzicht geübt, die man daheim für unabdingbar hält. Ich sage nur "Camping". Da erfreuen sich bis dahin als zurechnungsfähig geltende Menschen daran, dass ihre Erholung in Verwahrlosung mutiert. Es werden Witterungsverhältnisse klaglos ertragen, für die man zuhause die Feuerwehr bemühen würde. Auch wenn man bis zum Hals im Sumpf steckt, freut man sich an der Schönheit der Natur, bis zum Erbrechen. Auch wörtlich. Dazu lügt man sich noch in die Tasche und schreibt Postkarten, dass alles wunderschön sein, auch wenn man die vorgefundenen Verhältnis für ein Flüchtlingslager untragbar fände.

In Hotels und Ferienwohnungen ist die Lage nur geringfügig besser, von Einzelfällen abgesehen. Hier werden Menschen wie schon bei Transport mit großer Effizienz auf kleinstem Raum zusammen gepfercht, in Herden zum Trog geführt, auf Ausflügen gnadenlos mit sinnlosen Informationen beschallt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit Opfer touristischer Wegelagerei.

Letztlich bemüht man sich in der knappen Urlaubszeit noch nach Kräften, sich einen veritablen Sonnenbrand einzufangen, alle landestypischen Durchfallerkrankungen zu zelebrieren, sich von liebreizenden Insekten zerfressen zu lassen, den hiesigen Taschendieben großzügig den Lebensunterhalt zu sichern und sich mit allen Mitreisenden wegen sinnlosen Lappalien zu zerstreiten. Freunde im Urlaub, Feinde fürs Leben.

Und niemand kann nur annähernd begründen, warum Menschen im Vollbesitz ihrer geistigen Ohnmacht sich das antun! Aber genug der Worte. Ich muss los, ganz schnell ins Reisebüro. Der Frühbucherrabatt, Sie wissen schon!

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