Warum Autoren und Verleger keine Freunde sein können
von thalasso wave, Erstveröffentlichung 2016

Ich gehe sehr gerne zu Autorenlesungen. Es ist ausgesprochen unterhaltsam, man kann sich Anregungen holen für eigenen Lesungen und ab und ein Wort mit erfolgreicheren Kollegen wechseln. Was mir daran nicht gefällt, sind die Zuschauerfragen. Es sind immer die gleichen Dinge, die Zuschauer von Autoren wissen wollen: wie lange brauchen sie für ein Buch, wann kommt das nächste und was ist ihre Lieblingsfarbe? Niemand stellt die wichtigste Fragen für Autoren überhaupt: wie findet man einen Verlag?

Die meisten Zuhörer sind nun mal keine Autoren und deshalb ist diese grundlegende Frage für die geneigte Leserschaft ohne Bedeutung. Für uns Schreiberlinge ist das jedoch existenziell. Ohne Verlag gibt es kein Buch, kein Marketing, keine Presse, keine Buchkäufer, keinen Erfolg. Also legt der bemühte Autor regelmäßig Verlagen seine Werke vor und hofft auf gnädige Rezeption.

Folgende Szene entstammt der Phantasie des Verfassers und ist höchst unrealistisch. Ein erfolgreicher Verleger nimmt hocherfreut das Werk des talentierten, aber bislang noch wenig bekannten Autors entgegen, blättert darin herum, liest einige Passagen, nickt zuweilen, um seine uneingeschränkte Zustimmung auszudrücken, blickt schließlich mit einem großem Erstaunen auf dem Gesicht auf und fragt, wie hoch der Vorschuss denn sein dürfe.

Tatsächlich wird der Verleger das Manuskript gar nicht erst lesen. Er blättert es auch nicht durch, sondern sucht nur hinter dem Deckblatt nach der kurzen Zusammenfassung. Auch die liest er nicht. Er überfliegt nur den Text, um umsatztaugliche Schlüsselwörter zu identifizieren. Das kennt man aus dem Berufsleben von Nichtautoren, die eine 50-seitige Präsentation für den Abteilungsleiter auf das Wesentliche, also eine Seite, zusammendampfen müssen. Jeglicher Inhalt geht dabei verloren, übrig bleiben lediglich die branchenüblichen Floskeln wie Visualisierung, Synergieeffekte, Kompetenz, Kundenorientierung und proaktiv. Bullshit Bingo von Feinsten.

Hat der Autor seine Hausaufgaben gemacht und die Kurzbeschreibung mit den genre-typischen Vokabeln gespickt, hat er vielleicht eine Chance. In der Beschreibung eines Liebesromans beispielsweise kann jeder erdenkliche Mist stehen, Hauptsache die Worte traumatisches Erlebnis, Ängste, allein, unglücklich, liebenswert, zurückgezogen, Gefühle, Herz, Zuneigung, Arzt, Trennung, neue Liebe, Schmerz, große Katastrophe und Happy End kommen vor.

Nun schreibe ich aber nun mal keine Liebesromane. Hemmungslos warf sie sich in seine starken Arme, aber er trat einen Schritt beiseite, ist für mich bereits die ultimative Kurzfassung aller Liebesromane (frei nach Tetsche). Ich versuche eher all diese platten Klischees zu vermeiden und stattdessen eine gute Geschichte zu erzählen. Das interessiert aber keinen, schon gar nicht meinen Verleger.

Der starrt auf das Manuskript meines neuen Science Fiction-Romans und versteht die Welt nicht mehr. Eine Geschichte, die in der Zukunft spielt und es gibt keine Weltraumschlacht mit Raumschiffen, keinen Kampf mit Laserschwertern und die Außerirdischen sind keine Monster, fragt er verstört. Das ist doch genau so bescheuert, wie ein Horror-Roman ohne Zombies.

Das Manuskript für meinen neuen Horror-Roman schiebe ich ganz schnell wieder zurück in die Tasche. Man muss doch auch mal eine spannende Geschichte erzählen, verteidige ich mein Werk. Die sterbenslangweiligen Storys um Weltraummonster, Invasionen aus dem All, Geballer zwischen den Sternen, das interessiert doch keinen.

Haben Sie eine Ahnung, sagt der Verleger. Das mag vielleicht alles Schund sein, aber es verkauft sich. Schreiben Sie so was und wir kommen ins Geschäft. Wir suchen gerade händeringend irgendwas über Verdauung. Das ist ein Thema, das sich gerade blendet verkauft.

Verdauung, frage ich. So was wie Charmanter Darm oder Urin mit Hölderlin? Der Verleger nickt zufrieden. Wir verstehen uns, meint er. Ich verstehe gar nichts. Aber da kann man doch kein Buch darüber schreiben, wettere ich. Die Kernaussage ist doch nur, was man oben reinstopft macht unten Probleme. Wer sich normal und gesund ernährt, braucht doch kein Buch über Verdauung! Mehr als zwei Sätze kann man doch darüber gar nicht schreiben!

Machen Sie aus den zwei Sätzen 300 Seiten, sie sind doch Schriftsteller, sie können doch so was, erwidert der Verleger ungerührt. Ein griffiger Titel, provokantes Titelbild, Vorwort von einem Prominenten, seitenweise gut lesbare Allgemeinplätze ohne erhobenen Zeigefinger, der Rest ist Marketing.

Und wo soll ich einen Prominenten herkriegen, der ein gutes Vorwort schreibt? Das ist einfach, sagt der Verleger. Sie schreiben den Text, den dazu passenden Promi finden wir schon. Aber Sie haben doch schon bekannte Autoren für solche Bücher, ich versuche verzweifelt aus dieser Falle zu entkommen.

Fatalerweise ist unser Erfolgsautor von Vegane Krebstherapie kürzlich während der Chemo verstorben, sagt der Verleger betrübt. Und die Autorin von Gesund ernähren mit Ähren hat das Schreiben aufgegeben und leitet jetzt eine Fast-Food-Kette. Das ist die Chance für Sie, einen Fuß in die Tür zu kriegen. Schreiben Sie einen Bestseller über Verdauung und wir bringen Sie ganz groß raus!

Einen Bestseller über Verdauung? Was soll man da schreiben? Sofern man nichts Falsches isst, findet Verdauung einfach statt, egal wie viele Bücher darüber geschrieben werden. Andererseits, 300 Seiten mit interessanten Abschweifungen zu füllen, traue ich mir durchaus zu. Aber das Thema Verdauung interessiert mich überhaupt nicht. Und dann auch noch einen griffigen Titel finden. Vollwertig Backen und Kacken? Eher nicht. Fasten, verjüngen und düngen? Auch nicht. Essen, ein Ausscheidungskampf? Alles Mist!

Ich werde mich weigern! Ja, das werde ich tun. Das habe ich nicht nötig. Ich habe einen Science Fiction-Roman geschrieben und kein Standardwerk über Blähungen. Obwohl, könnte man das nicht miteinander kombinieren? Ich schreib den Stoff ein wenig um, ändere ein paar Namen und mache aus der Verdauung in einer weit entfernten Galaxy einen spannenden Kassenschlager: Krieg der Därme.

Hollywood hat bereits angefragt ...

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